Warum spricht niemand über Terpene?

Warum spricht niemand über Terpene?

Was haben Nadelbäume, Zitruspflanzen und Cannabis gemeinsam? Die Antwort lautet: Terpene.

Die Terpenmoleküle geben Pflanzen nicht nur ihr charakteristisches Aroma, sondern könnten auch das therapeutische Potenzial von Cannabis beeinflussen.

Was sind Terpene?

Spricht man über die Wirkung von Cannabis, landet man ziemlich schnell bei den Hauptwirkstoffen THC und CBD. Obwohl man von den Eigenschaften eines Terpens nicht auf die Wirkung der Sorte schließen kann, in der es enthalten ist, könnten die Duftstoffe im Zusammenspiel mit anderen Inhaltsstoffen eine wichtige Rolle für die Wirkung spielen.

Chemisch betrachtet zählen Terpene zu den Kohlenwasserstoff-Verbindungen. Die verschiedenen Terpenarten werden von dem Ausgangsstoff Isopren abgeleitet – ein Molekül mit fünf Kohlenstoff-Atomen. Die gängigste Klassifizierung von Terpenen erfolgt über ihre Anzahl von Kohlenstoffatomen. Demnach gibt es unter anderem Monoterpene (10 Kohlenstoff-Atome), Sesquiterpene (15 Kohlenstoff-Atome), Diterpene (20 Kohlenstoff-Atome).1

Terpene sind aromatische Kohlenwasserstoff-Moleküle, die von Pflanzen produziert werden und Blüten oder Früchten ihren charakteristischen Geruch und Aroma verleihen. Doch auch Algen, Bakterien und Pilzen bilden die Duftstoffe. In der Natur kommen Terpene neben Vitaminen und Pheromonen hauptsächlich als sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe vor, die zwar für das Überleben des Organismus keine Rolle spielen, aber trotzdem wichtige Funktionen haben.Die Anwendungen von Terpenen sind vielfältig. In Gewürzen geben sie unserem Essen Geschmack. Sie verleihen Pflanzen ihr Aroma und werden zum Beispiel extrahiert, um daraus ätherische Öle herzustellen.

Terpene und ihre Bedeutung für die Pflanzenwelt

Hauptsächlich im Harz von Pflanzen gebildet, übernehmen Terpene neben Geruch, Aroma oder Geschmack noch andere Funktionen. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben in der Pflanzenwelt ist Fortpflanzung. Die Duftstoffe locken Insekten an, damit diese die Pflanze bestäuben. Andererseits hilft der Duft von Terpenen dabei, räuberische Insekten und Fressfeinde fernzuhalten, um so das Fortbestehen der Pflanze zu sichern.

Darüber hinaus schützen sie Pflanzen vor schwankenden klimatischen Bedingungen. Bei steigenden Temperaturen werden mehr Terpene produziert, die verdampfen und zur Kühlung beitragen können. Es sind über 38.000 verschiedene Terpene bzw. Terpenderivate bekannt.1

Verschiedene Gewürze als Pulver und in Reinform, Ingwer, Knoblauch, Chili, Zwiebel in einem Tonschälchen sowie ein Stiel Petersilie und eine halbierte Zimtstange vor weißen Holzdielen
Abb. 1: Terpene sind unter anderem dafür verantwortlich, dass Gewürze ihren Geschmack bekommen.

Terpene in der Natur – die bekannteste Terpene

  • Myrcen – kommt neben der Hanfpflanze in Pfeffer, Kiefern (*Pinus -*Arten), Ingwergewächsen (Amomum -Arten), Minzen (Mentha-Arten), Salbei Kümmel, Fenchel, Estragon, Dill, Zitrusfrüchten und Hopfen vor.4
  • Caryophyllen – kommt in Nelken oder Zimt vor.4
  • Limonen – ist in Pfefferminze oder Wacholder enthalten.6
  • Linalool – ist in vielen Pflanzenarten wie Lavendel, Rosen, Koriander oder Minze enthalten.7
  • Humulen – ist in Hopfen, Nelken, Ginseng, Salbei enthalten.5
  • Bisabolol – kommt in Kamille und Teebaumöl vor.8
  • Ocimen – kommt zum Beispiel in Basilikum, schwarzen Johannisbeeren oder Rosmarin vor.8
  • Pinen – ist unter anderem in Pinien, Kiefern und anderen Nadelbäumen enthalten.9
  • Terpinolen – kommt zum Beispiel in Flieder und Lindenblüten vor.9

Terpene haben interessante biologische und pharmakologische Eigenschaften. Sie werden zum Beispiel als Insektizide eingesetzt, indem sie Insekten in Fallen locken. Außerdem werden sie als Duftstoffe in Parfum oder Kosmetika verwendet. In der Aromatherapie werden Terpene gezielt eingesetzt, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen.10

Welche Terpene gibt es in Cannabis?

Cannabispflanzen können dieselben Terpene produzieren wie andere Pflanzenarten. Es gibt allerdings Terpene, die häufig und in besonders hoher Konzentration vorhanden sind. Mittlerweile geht man davon aus, dass sie neben dem Aroma auch die Wirkung von Cannabis beeinflussen können.3

Myrcen kann in Kombination mit THC zum Beispiel sedierend wirken und für den sogenannten “Couchlock” verantwortlich sein – das Gefühl von der Wirkung von Cannabis ans Sofa gefesselt zu werden.11

Cannabispflanzen produzieren Terpene in den Köpfen ihrer Harzdrüsen, den sogenannten Trichomen. Da Cannabisblüten in der Regel die höchste Konzentration an Trichomen aufweisen, ist der Terpengehalt in den Blüten folglich am höchsten. In der Wissenschaft geht man davon aus, dass ihre Eigenschaften ein therapeutisches Potenzial haben können.11

Häufige Cannabis-Terpene

Es gibt eine Reihe von Terpenen, die in der Cannabispflanze besonders häufig vorkommen. Da es kaum klinische Humanstudien über die mögliche Wirkung von Terpenen auf den Menschen gibt, stammen die Aussagen über das potenzielle pharmakologische Potenzial aus Zellkultur- oder Tierversuchen.

TerpenVorkommenAromamögliche pharmakologische AktivitätSiedepunkt
MyrcenMyrcen, ß-Myrcenerdig, würziges Pfefferaromaschmerzlindernd, sedierend, entzündungshemmend11ca. 167 °C
Caryophylleneα-Caryophyllen, ß-Caryophyllen (BCP), γ-Caryophyllenblumig-würzigentspannungsfördernd, beruhigend schmerzlindernd, entzündungshemmend11ca. 130 °C
LinaloolLinaloolblumigberuhigend, angstlösend2ca. 198 °C
LimonenD-Limonen, L-Limonenzitrusartig, frischangstlösend, stimmungsaufhellend11ca. 176 °C
Pineneα-Pinen, ß-Pinen, cis-δ-Pinenpinienartigentzündungshemmend11ca. 155 °C
TerpinolenTerpinolen, α-Terpinolenfruchtig-würzigantimykotisch, antioxidativ, sedierend13ca. 50 °C
Tabelle 1: Die häufigsten Cannabis-Terpene und deren Eigenschaften

Terpene und der Entourage-Effekt – was ist das?

Besonders interessant ist die synergetische Wirkung von Terpenen mit Cannabinoiden (Über weitere Cannabinoide haben wir hier geschrieben). Der sogenannte Entourage-Effekt besagt, dass eine Verbindung im Zusammenspiel mit anderen Wirkstoffen eine stärkere Wirkung hat als die isolierte Substanz selbst. Terpene könnten die Wirkung einer Sorte verstärken.11

Die vielen Inhaltsstoffe in Cannabis können sich nicht nur gegenseitig verstärken, sondern auch hemmen. Das beste Beispiel dafür ist die Kombination von THC und CBD. Im Zusammenspiel der beiden Wirkstoffe kann sich die Bioverfügbarkeit von THC erhöhen, während seine psychoaktiven Nebenwirkungen durch CBD abgeschwächt werden können.12

Das therapeutische Potenzial von Terpenen aus wissenschaftlicher Sicht

Von besonderem wissenschaftlichen Interesse sind die Wechselwirkungen von Phytocannabinoiden und Terpenen, deren Synergieeffekte für die Behandlung von Schmerzen, Entzündungen, Depression, Angstzuständen, Sucht, Epilepsie, Krebs, Pilz- oder bakteriellen Infektionen nützlich sein könnten.11

Während beim Rauchen viele Inhaltsstoffe durch die extrem hohen Temperaturen verbrennen, lassen sich mithilfe eines Vaporizers Wirkstoffe gezielt verdampfen. Zudem entstehen bei der Verwendung eines Verdampfers durch die viel geringeren Temperaturen weniger krebserregende Stoffe.

Die möglichen Wechselwirkungen von Terpenen mit anderen aktiven Inhaltsstoffen der Cannabispflanze werden in aktuellen Studien untersucht. Eine Möglichkeit, dieses Wissen zu nutzen, ist zum Beispiel die selektive Züchtung von Cannabissorten mit speziellen Wirkstoffen für die gezielte Behandlung bestimmter Beschwerden.

  • 1 DocCheck Flexikon.de (2017): Terpene, 18. März, Online unter https://flexikon.doccheck.com/de/Terpene (23.06.2022).

  • 2 Baron EP, Lucas P, Eades J, Hogue O (2018): Patterns of medicinal cannabis use, strain analysis, and substitution effect among patients with migraine, headache, arthritis, and chronic pain in a medicinal cannabis cohort, in: Journal of Headache and Pain, London: Biomed Central.

  • 3 kalapa-clinic.com (2022): Die Eigenschaften von Terpenen im medizinischen Cannabis, Online unter https://www.kalapa-clinic.com/de/terpene-medizinischen-cannabis/ (23.06.2022)

  • 4 Cox-Georgian, D., Ramadoss, N., Dona, C., & Basu, C. (2019). Therapeutic and Medicinal Uses of Terpenes, in: Medicinal Plants: From Farm to Pharmacy, Berlin: Springer Nature, S. 333–359.

  • 5 theleafonline.com (2014). Terpene Profile: Humulene, 20. November, Online unter ww.theleafonline.com/c/science/2014/11/terpene-profile-humulene/ (23.06.2022)

  • 6 Lima, N. G., De Sousa, D. P., Pimenta, F. C., Alves, M. F., De Souza, F. S., Macedo, R. O., Cardoso, R. B., de Morais, L. C., Melo Diniz, M., & de Almeida, R. N. (2013): Anxiolytic-like activity and GC-MS analysis of (R)-(+)-limonene fragrance, a natural compound found in foods and plants, in: Pharmacology, biochemistry, and behavior 103 (3), Amsterdam: Elsevier, S. 450–454.

  • 7 Guzmán-Gutiérrez, S. L., Bonilla-Jaime, H., Gómez-Cansino, R., & Reyes-Chilpa, R. (2015): Linalool and β-pinene exert their antidepressant-like activity through the monoaminergic pathway, in: Life sciences, Amsterdam: Elsevier, S. 128, 24–29

  • 8 Golfakhrabadi, F., Khanavi, M., Ostad, S. N., Saeidnia, S., Vatandoost, H., Abai, M. R., Hafizi, M., Yousefbeyk, F., Rad, Y. R., Baghenegadian, A., & Ardekani, M. R. (2014): Biological Activities and Composition of Ferulago carduchorum Essential Oil, in: Journal of arthropod-borne diseases 9(1), Teheran University of Medical Sciences (TUMS), S. 104–115.

  • 9 Ito, K., & Ito, M. (2013): The sedative effect of inhaled terpinolene in mice and its structure-activity relationships, in: Journal of natural medicines 67(4), Berlin: Springer Nature, S. 833–837.

  • 10 chemie.de (2022). Terpene, Online unter https://www.chemie.de/lexikon/Terpene.html (23.06.2022).

  • 11 Russo E.B. (August 2011): Taming THC: potential cannabis synergy and phytocannabinoid terpenoid entourage effects, in: British Journal of Pharmacology (hrsg. Ritter J.), London: British Pharmalogical Society, S. 1344–1364.

  • 12 Russo E.B., Marcu J. Cannabis Pharmacology (2017): The Usual Suspects and a Few Promising Leads. in:1: Advances in Pharmacology (hrsg. Kendall D., Alexander S.), Amsterdam: Elsevier, S. 67–134.

  • 13 Hao-Jie Zhu, Jun-Sheng Wang, John S. Markowitz, Jennifer L. Donovan, Bryan B. Gibson, Holly A. Gefroh, C. Lindsay DeVane (2006): Characterization of P-glycoprotein Inhibition by Major Cannabinoids from Marijuana, in: Journal of Pharmacology and Experimental  Therapeutics 317 (2), Rockville Pike, Bethesda, MD: American Society for Pharmacology and Experimental Therapeutics, S. 850-857.

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